Musikschule tut, was sie kann
Über das Internet die Kunstfertigkeit am Instrument zu verfeinern, ist nicht das Gelbe vom Ei. Die Lehrer und Schüler der Musik- und Kunstschule Achern-Oberkirch sehnen sich nach Normalität
Achern/Oberkirch. Die Schwierigkeiten des Fernunterrichts sind vielfältig, besonders für Musikschulen. Der Klang der Instrumente verändert sich durch die Übertragung. Lehrer und Schüler können wegen der Verzögerung nicht zusammen spielen. Viele Töne gehen unter und vor allem: Der persönliche Kontakt fehlt. Von einem Motivationstief der Musikschüler spricht Jakob Scherzinger, Leiter der Musik- und Kunstschule Achern-Oberkirch. Die Gefahr sei da, dass die Kinder im Lockdown die Lust am Musizieren verlieren. Der zehnjährige Moritz Seiter sieht seinen Gitarrenlehrer Klaus Leopold nur auf einem der beiden Bildschirme in seinem Kinderzimmer in Kappelrodeck. Leopold kann nicht wie sonst an der Schlossbergschule unterrichten. Auf einem großen Fernseher und auf seinem Laptop in einem Musikzimmer der Musikschule Oberkirch sieht er Moritz und hört ihn auch ganz gut.
Von Kindern lernen
„Ganz wichtig ist eine gute Internetverbindung”, sagt der Musiklehrer. Sonst komme vieles völlig „verschwurbelt” bei ihm an. Tiefe Töne höre er mitunter gar nicht und wo im Hintergrund geredet werde, da sei es ganz schwierig. Bei der Digitaltechnik lernt der alte Hase gerade viel dazu – von Schülern wie Moritz. Aber Scherzinger weiß: „Die Kinder werden medial überf lutet. Eigentlich soll die Musik eine Alternative zum Bildschirm sein.”
Um die Motivation zu steigern, wurde gerade ein Wettbewerb ausgerufen. Die Schüler aus Oberkirch und Bad Peterstal-Griesbach treten gegen die aus Achern, Kappelrodeck, Ottenhöfen, Sasbach und Sasbachwalden an. In welchem Tal wird mehr geübt? Das werden die von den Kindern ausgefüllten Übe-Pläne zeigen. Nach gut einer Woche lag das Renchvor dem Achertal.
„Unsere Schülerzahlen sind derzeit in einer Senke. Sie fielen die letzten Jahre ab“, sagt Scherzinger. Statt aktuell 1800 Musikschülern im Acher- und Renchtal, darunter viele in Gruppenangeboten, strebt er wieder 2000 an. Die wöchentlichen Unterrichtseinheiten sollen von 700 möglichst auf 750 steigen. Doch in der Pandemie sind Neuanmeldungen selten. Kein Wunder: Das Werben an den Schulen, in Schnupperangeboten und kleinen Konzerten
fällt flach. „Wir müssen das alles in den digitalen Bereich verlegen”, berichtet der Musikschulleiter.
Ende Februar seien die nächsten Videodrehs geplant, womit sich Lehrer und ihre Instrumente vorstellen. Im Youtube-Kanal der Musikschule ist neu das Kinderkonzert „Pimpernella Zwiebelkeks” für Familien mit kleinen Kindern eingestellt. Darsteller sind mehrere Musiklehrer, den Erzähler gibt ihr Chef persönlich.
4700 Klicks erreicht
Seit Mitte November findet man die Schule auf Youtube. Sie hat seitdem rund 4700 Klicks erreicht und 50 Abonnenten gewonnen. Die im Advent im Musikforum Oberkirch und im Festsaal Illenau aufgenommenen Einzelauftritte erreichten jeweils bis zu 130 Klicks. Aus Instagram hat die Musikschule 159 Abonennten. Scherzingers Digitalisierungsstrategie sieht neue Hard- und Software vor, außerdem WLAN für alle Außenstellen und Fortbildungen für die Mitarbeiter. Nach der Pandemie sollen digitale Möglichkeiten den Präsenzunterricht sinnvoll ergänzen.
Von Grund auf neu starten will der Schulleiter mehrere Bands. „Red icon” ist bislang die einzige Musikschul-Band. Sie ist mit fortgeschrittenen Musikern besetzt und überwiegend in Oberkirch aktiv.
In Zukunft soll für die klassische wie für die Popmusik im Acher- und Renchtal gelten: „Dass Kinder früh die Möglichkeit bekommen, zusammen zu musizieren.” Den Kunstbereich auszubauen ist ein weiteres Ziel. Derzeit gibt es vier Kunstkurse für Kinder. Sie finden alle in Oberkirch statt und noch keiner in Achern.
Bildunterschrift: Gitarrenlehrer Klaus Leopold unterrichtet vom Musikschulzentrum Oberkirch aus den zehnjährigen Moritz Seiter aus Kappelrodeck über das Internet.
Quelle: Acher-Rench Zeitung vom 05.02.2021
Foto und Text: Michaela Gabriel